Zwischen Jubel und Verrat
Bewegender Gründonnerstagsgottesdienst mit Ausstellungseröffnung in der Dreieinigkeitskirche
Wie gut Kirche und Fußball zusammenpassen, das wurde am Gründonnerstags-Gottesdienst in der fast vollbesetzten Dreieinigkeitskirche in Rottenburg deutlich: Denn Pfarrerin Veronika Mavridis, Dekanin Dr. Nina Lubomierski, die Landtagsabgeordnete Ruth Müller und der Kurator der Ausstellung des FC-Bayern-Museums Andreas Wittner verstanden es, den Bogen vom Fußball zur Kirche, von der Vergangenheit zur Gegenwart, von der Politik zur christlichen Botschaft zu spannen. Und passend zur Wanderausstellung des SPD AK Labertal über die Schicksale der jüdischen Fußballspieler beim FC Bayern, die Karin Hagendorn in die Region geholt hatte, hatten auch Angelika Rohrmeier an der Orgel und Hubert Rockermeier am Sopransaxophon jüdische Klezmer-Musik für die musikalische Umrahmung des Abends ausgesucht. „Einer von Euch! Einer von Euch wird mich verraten! Dieser Satz durchbricht alles und zerstörte die Ungezwungenheit beim letzten Abendmahl von Jesus mit seinen Jüngern“, so leitete Pfarrerin Mavridis in den Gottesdienst ein und über zum Thema des Abends, dem „Verrat“. Denn auch damals seien Täter und Opfer in den eigenen Reihen beisammen gewesen. Juden und Fußballspieler, Anhänger der Nationalsozialisten und Sozialdemokraten. „Über 18 Prozent der Vereinsmitglieder beim FC Bayern waren Juden, während der Anteil in der Münchner Bevölkerung damals bei rund einem Prozent lag“, machte der Kurator Andreas Wittner im Interview mit Ruth Müller deutlich. Und unter den rund sechs Millionen Opfern des Holocaust seien mindestens 27 Mitglieder des FC Bayern gewesen. Besonders nachdenklich machte es die Besucher des Abends, als sie hörten, dass der FC Bayern erst im Sommer 1932 die Deutsche Meisterschaft gewonnen hatte und die Fußballspieler in einem Siegeszug zum Münchner Rathaus von den Massen gefeiert wurden. Nur sieben Monate später – im März 1933 – wurden aus den gefeierten und verehrten Fußballhelden Verfolgte, die verhaftet wurden, vertrieben wurden, flüchteten oder in den Konzentrationslagern ums Leben kamen. In ihrem Grußwort ging Dekanin Dr. Nina Lubomierski auf den ähnlichen „Dreiklang“ ein und zog damit die Parallele zum Leben Jesu, der am Palmsonntag umjubelt wurde, am Gründonnerstag verraten und am Karfreitag gekreuzigt wurde. Damit die Schicksale der jüdischen Mitglieder des FC Bayern nicht in Vergessenheit geraten, hat der Verein bereits zum 50jährigen Jubiläum eine Festschrift herausgebracht und die Clubzeitung von 1951 unter das Motto „Wo sind sie“ gestellt. Mit dem Erfolg des FC Bayern und den neuen Stars wie Beckenbauer, Müller, Breitner, Rummenigge und Hoeneß seien die ersten Fußball-Legenden in Vergessenheit geraten. Umso wichtiger sei es, ihnen und ihrer Schicksale zu gedenken – diese Aufgabe hat Andreas Wittner, der von 2012 bis 2023 im Archiv des FC Bayern Museums gearbeitet hat, übernommen und im Jahr 2016 in Kooperation mit der evangelischen Versöhnungskirche Dachau erstmals die Ausstellung präsentiert. Diese wurde seitdem immer wieder überarbeitet und ergänzt und auf einen aktuellen Stand gebracht. Auf sieben Roll-Ups werden die Lebensgeschichten des Ehrenpräsidenten Kurt Landauer, des langjährigen Jugendfunktionärs Otto Albert Beer und des SPD-Politikers und Widerstandskämpfers Wilhelm Buisson ausführlich beleuchtet.
Die SPD Landtagsabgeordnete Ruth Müller, die auch zugleich Mitglied der Landessynode ist, ging in ihrem Grußwort auf die politisch-gesellschaftlichen Herausforderungen ein und die Lehren, die aus den Geschehnissen in den Jahren 1923 bis 1945 zu ziehen sind. „Das undenkbare ist sagbar geworden“, so Müller. Und das, was gesagt werde, müsse all jene schmerzen, die der festen Überzeugung waren, dass Antisemitismus, Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Hass, Hetze und Intoleranz mit dem Versprechen des „Nie wieder“ belegt seien. Stattdessen habe es in einem Maß zugenommen, dass manchmal nur schwer erträglich sei. Bei dieser Ausstellung – die im Jahr der Europameisterschaft in der Region gezeigt werde – gehe es um die Frage der Mitmenschlichkeit und Verantwortung, die jeder einzelne in der Gesellschaft übernehmen müsse, um nicht zuzulassen, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder Religion ausgegrenzt, verfolgt, verhaftet oder ermordet werden. „Die Verantwortung für die Zukunft liegt an uns allen“, machte auch Andreas Wittner deutlich.
Bei einem kleinen Umtrunk, den die Mitglieder des SPD-Ortsvereins Rottenburg um die Vorsitzende Rosmarie Schmid organisiert hatten, war Gelegenheit, die Ausstellungstafeln genauer anzusehen und miteinander ins Gespräch zu kommen.
So geht es weiter:
Die nächsten Stationen der Wanderausstellung sind das Klinikum Mallersdorf (03. – 07. April), die evangelische Kirche in Geiselhöring (12. – 14. April), das Seniorenwohnheim in Eggmühl (18. – 19.04.) sowie Schulen in der Region und weitere Stationen bis Anfang Mai.